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Vergangene Woche stach still und heimlich eine weiß und knallrosa lackierte Yacht in See. An Bord: Eine Gruppe von Aktivist*innen.
Das Schiff befindet sich inzwischen im zentralen Mittelmeer und sucht nach einem Hafen, an dem es anlegen kann, um 89 gerettete Menschen an Land zu bringen. Das berichtete der Guardian am Donnerstag.
Das Boot lief am 18. August aus dem spanischen Hafen von Burriana aus und wurde Berichten zufolge von dem britischen Straßenkünstler Banksy finanziert. Der entscheidende Hinweis dafür: Auf der Außenseite der Yacht befindet sich ein Kunstwerk von Banksy – ein Mädchen mit einer Schwimmweste und einem herzförmigen Rettungsring. Das Boot trägt den Namen Louise Michel, benannt nach einer französischen feministischen Anarchistin.
Der Künstler finanzierte die Mission zwar, nahm selbst aber nicht daran teil. Die Besatzung besteht vielmehr aus Personen, die bereits Erfahrung mit Rettungseinsätzen haben. Anfang des Monats assistierte die Gruppe bereits bei zwei Seenotrettungen, bei denen 105 Menschen aus dem Mittelmeer auf das Schiff Sea Watch 4 der gleichnamigen Nichtregierungsorganisation (NGO) in Sicherheit gebracht wurden.
Von NGOs und Aktivist*innen eingesetzte Boote retten auf dem Mittelmeer kleine Schiffe und nicht seetüchtig Schlauchboote, um geflüchtete Menschen in Sicherheit und an Land zu bringen. Organisationen die regelmäßig derartige Einsätze durchführen, sind etwa Sea Watch und Ärzte ohne Grenzen.
Banksy funds refugee rescue boat operating in Mediterranean #Banksypic.twitter.com/mOtdoLJR5Q
— Ako Karim 🕊 (@AkoKarimy) August 27, 2020
Wie The New Humanitarian berichtet, gab es aufgrund der COVID-19-Pandemie in den letzten Monaten weniger Rettungsaktionen. Das bedeutet, dass viele Geflüchtete die gefährlichen Überfahrten ohne Unterstützung oder die Möglichkeit auf Rettung hinter sich bringen müssen.
Die Route ist äußerst riskant. 514 Menschen sind im Jahr 2020 während der Überfahrt gestorben, wie die Organisation Missing Migrants bekannt gab, die die Zahl der aus Nordafrika Geflüchteten trackt.
Beim schlimmsten Schiffbruch vor der libyschen Küste in diesem Jahr starben am 17. August 45 Menschen, darunter fünf Kinder. Die Vereinten Nationen forderten anschließend, dass Such- und Rettungsmissionen dringend ausgeweitet werden.
In einer gemeinsamen Erklärung äußerten sich der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) und die Internationale Organisation für Migration (IOM) besorgt darüber, dass die Rettung von Flüchtlingen blockiert wird. Nach wie vor gebe es “kein überzeugendes, von der EU geleitetes Such- und Rettungsprogramm.” Deshalb forderten sie die Staaten auf, rasch auf Hilferufe zu reagieren, um weitere Todesfälle zu verhindern.
“Die verzögerten und versäumten Hilfeleistungen in den vergangenen Monaten sind inakzeptabel. Sie gefährden Menschenleben, obwohl dies vermeidbar wäre”, so die Organisationen.
Doch wie kam es dazu, dass Banksy ein Rettungsboot gestift? Der Künstler habe einen Artikel über die Kapitänin Pia Klemp gelesen und ihr anschließend per Mail von seiner Idee berichtet. Das sagte Klemp gegenüber dem Guardian.
Konkret habe er geschrieben: “Hallo Pia, ich habe in der Zeitung von dir gelesen, du klingst beeindruckend und durchsetzungsstark.” Und weiter: “Ich bin ein Künstler aus Großbritannien und habe einige Werke zur Flüchtlingskrise gemacht, selbstverständlich kann ich das Geld nicht behalten. Könnten Sie es verwenden, um ein neues Boot oder so etwas zu kaufen? Bitte lassen Sie es mich wissen. Gut gemacht. Banksy.”
Sie hätten heimlich mit der Planung begonnen, erklärte Klemp. Denn sie befürchteten, dass Banksys Beteiligung die Presse auf die Aktion aufmerksam machen würde. Das Risiko, dass das Schiff von den Behörden abgefangen werden würde, war zu groß.
Klemp erklärte, dass der Künstler lediglich finanziell beteiligt sei. “Banksy wird nicht so tun, als wüsste er besser als wir, wie man ein Schiff führt. Genauso wenig wie wir so tun, als wären wir Künstler”, sagte sie.
Die Aktivistin Claire Faggianelli bereitete die Louise Michel auf ihre erste Mission vor. In einem Interview mit dem Guardian bezeichnete sie das Projekt als einen Weckruf für Europa. “Wir versuchen, Europa wieder zu sensibilisieren und klar zu machen: ‘Schaut, wir schreien euch schon seit Jahren an. An den Grenzen Europas geschieht etwas, das nicht geschehen sollte. Und ihr verschließt die Augen davor. Wacht auf!’”