Der Krieg Russlands gegen die Ukraine bleibt dramatisch. Die wirklichen Auswirkungen und Folgen auf die ganze Welt sind immer noch kaum zu ermessen – gerade für den afrikanischen Kontinent. Zusätzlich zu den dort besonders starken multiplen Krisen, könnten Wirtschaft und Bevölkerung in diesen Ländern großen Schaden davontragen. Umso wichtiger, die Zusammenhänge zu verstehen.
Schon jetzt haben die Länder Afrikas mit der COVID-19-Pandemie und fehlenden Impfstoffen zu kämpfen. Gleichzeitig treibt die Klimakrise den Kontinent tiefer in Armut. Ohne Zweifel wird nun der Krieg in der Ukraine aufgrund der engen Beziehungen afrikanischer Länder zur Ukraine und Russland weitreichende Folgen nach sich ziehen. Die wichtigste Frage – auf die es aber noch keine Antwort gibt – lautet: Wie stark wird es den Kontinent treffen?
Die Auswirkungen des Krieges auf die Wirtschaft afrikanischer Staaten haben viel mit Importen zu tun, auf die wir noch näher eingehen werden. Doch auch nationale Investitionen auf beiden Seiten sind betroffen. So hat Südafrika in Russland Investitionen in Milliardenhöhe getätigt und umgekehrt hat Russland hohe Investitionen in Südafrika getätigt.
Schon jetzt sind die unmittelbaren Folgen des Krieges für afrikanische Menschen, Studierende etwa, spürbar. Berichte über Rassismus und Diskriminierung von schwarzen Menschen, die sich vor Russlands Invasion in Sicherheit bringen wollten, erregten nur wenige Tage nach Kriegsbeginn für Aufsehen. Die nicht ganz so direkten Auswirkungen betreffen Bürger*innen, die sich auf dem afrikanischen Kontinent aufhalten. Ein Beispiel ist die Zunahme von Ernährungsunsicherheit, denn sowohl die Ukraine als auch Russland sind wichtige Exporteure von Öl, Weizen und Mais. Ein weiterer Bereich, auf den der Krieg sich auswirkt, sind die russischen Streitkräfte, die einige afrikanische Regierungen bei der Bekämpfung von Aufständischen unterstützen.
3 wichtige Fakten zu den Folgen der russischen Invasion für die Länder in Afrika
- Rund 20 Prozent der Studierenden in der Ukraine sind Afrikaner*innen. Sie haben Berichten zufolge vor Ort Rassismus und Diskriminierung erlebt.
- Die afrikanische Wirtschaft ist durch Lebensmittelimporte und Tourismus mit Russland und der Ukraine verflochten.
- Ohne ausreichenden Zugang zu Weizen-, Mais- und Ölimporten werden die Lebensmittelpreise und die weltweite Ernährungsunsicherheit steigen – mit schwerwiegenden Folgen für nordafrikanische Länder. Denn allein Ägypten importiert 70 Prozent seines Weizens aus Russland und der Ukraine.
Wir beantworten die wichtigsten Fragen, die sich daraus ergeben:
Wer ist am stärksten betroffen und warum?
Neben dem Bedarf an humanitärer Hilfe in der Ukraine und ihren Nachbarländern aufgrund der vielen Schutzsuchenden wächst auch die Nachfrage nach Nahrungsmitteln. Bislang sind mehr als 4 Mio. Menschen aus der Ukraine geflohen. Das Welternährungsprogramm unterstützt derzeit mehr als 3,1 Millionen Menschen, die in und um die Ukraine auf entsprechende Hilfe angewiesen sind.
Da sowohl die Ukraine als auch Russland wichtige Exporteure von Getreide und Pflanzenöl sind, werden die Lebensmittelpreise weltweit voraussichtlich in die Höhe schnellen. Das führt zu größeren Hungersnöten überall auf der Welt, eben besonders in nordafrikanischen Ländern.
Auf Russland und die Ukraine zusammen entfallen etwa 30 Prozent der weltweiten Weizenexporte. Die Ukraine ist der viertgrößte Lieferant von Weizen und Mais in der Welt. Der Krieg wird den Zugang zu diesen Getreidesorten erschweren und damit afrikanischen Ländern wie Ägypten, Tunesien, Marokko, Libyen und Algerien schaden, die auf das Getreide angewiesen sind.
Dabei ist die Situation dort schon jetzt dramatisch: Der Norden des Kontinents wird derzeit von der schlimmsten Dürre seit Jahrzehnten heimgesucht und einige Länder sind generell nicht in der Lage, ihre Bevölkerung mit selbst produzierten Nahrungsmitteln zu versorgen. Diesesind in hohem Maße von Nahrungsmittelimporten aus Russland und der Ukraine abhängig, um die Bevölkerung vor einer katastrophalen Hungersnot zu bewahren.
Regionen in Afrika, die schon zuvor am Rande von Hungersnöten gestanden hatten, sind nun noch mehr gefährdet. Denn Hilfsorganisationen benötigen Getreidelieferungen, um den Hunger zu lindern. Zu den Ländern, die von den Vereinten Nationen als Hungersnot-Hotspots eingestuft wurden, gehören Madagaskar, Äthiopien, Südsudan, Tschad, Burkina Faso und die Demokratische Republik Kongo.
Nach Angaben der ägyptischen Nachrichtenplattform Enterprise ist Ägypten der größte Weizenimporteur der Welt. 70 Prozent der Weizenlieferungen stammen aus Russland und der Ukraine. Da Russland seine Weizenexporte mit Zöllen belegt hat, steht Ägypten nun wirtschaftlichem Druck und einem verminderten Zugang zu Nahrungsmitteln gegenüber. Da die Lieferung des Getreides aufgrund des Krieges eingeschränkt ist, sind die Ernährungssicherheit sowie die wirtschaftliche und politische Stabilität Ägyptens in Gefahr.
Die Regierung des Landes nutzt importierten Weizen zur Herstellung von subventioniertem Brot, und viele Familien sind auf dieses Brot angewiesen. Tatsächlich waren hohe Preise für Brot auch einer der Gründe für den Aufstand im Jahr 2011.
Getreide und Mais sind nicht die einzigen Faktoren, wenn es darum geht, wie sich der Krieg auf den afrikanischen Kontinent und dessen Bevölkerung auswirken wird. Der Anstieg des Ölpreises auf den höchsten Stand seit 2014 treibt wie in Deutschland und Europa Transportkosten in die Höhe. Infolge dessen werden sich auch die Preise für Lebensmittel und andere Produkte auf dem gesamten Kontinent erhöhen und in Armut lebende Menschen finanziell noch mehr belasten.
Russland ist zudem einer der weltweit größten Exporteure von Düngemitteln. Der Krieg hat deshalb auch hier zu einem starken Preisanstieg geführt. Das könnte die Nahrungsmittelsysteme vor allem jener afrikanischen Länder ins Wanken bringen, die nicht nur wegen der Ernährung ihrer Bürger*innen, sondern auch um ihre Wirtschaft zu erhalten, auf die Landwirtschaft angewiesen sind. Ein Anstieg der Lebensmittelpreise wird die Ernährungsunsicherheit auf dem Kontinent weiter verschärfen.
Der kenianische Staatssekretär für Landwirtschaft, Peter Munya, wies in seiner Rede vor dem Parlament am 1. März darauf hin, dass das Land den größten Teil seiner Düngemittel aus Russland und China bezieht. Er warnte davor, dass die Düngemittelpreise ohne Subventionen dramatisch steigen könnten.
Doch nicht nur der Zugang zu Ernährung könnte für Instabilität sorgen. So hängt Ägypten auch was den Tourismus anbelangt in hohem Maße von Russland ab – das osteuropäische Land hat nach der COVID-19-Pandemie stark dazu beigetragen, die Branche anzukurbeln. Auch Tunesien ist ein beliebtes Reiseziel für russische Urlauber*innen.
Was hat das mit den strukturellen Ursachen und der Bekämpfung von extremer Armut zu tun?
Die Folgen des Krieges für Afrika wirken direkt auf das Global Goal 2 ein – die Beseitigung des Hungers in der Welt. Der fehlende Zugang zu Getreide und die steigenden Lebensmittel- und Ölpreise haben das Potenzial, afrikanische Bürger*innen noch tiefer in Armut zu treiben. Schon jetzt haben die weltweiten Lebensmittelpreise den höchsten Stand seit 2011 erreicht. Das bedeutet, dass der Krieg die Ernährungssicherheit und die wirtschaftliche Stabilität des afrikanischen Kontinents nur noch weiter verschlechtern wird.
Der Einmarsch Russlands in die Ukraine wirkt sich daneben auch auf Global Goal 8 aus, das sich um nachhaltiges Wirtschaftswachstum und gute Arbeitsbedingungen dreht. Das liegt nicht nur an den Auswirkungen des Krieges auf die Düngemittelpreise und somit die Landwirtschaft, sondern auch an den Schulden afrikanischer Länder.
Nach Angaben der New York Times wird der Konflikt wahrscheinlich enorme Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben – die Zinssätze werden steigen, der Zugang zu Krediten sich erschweren. Was bedeutet das für afrikanische Länder? Regierungen werden für Kredite viel mehr Geld ausgeben müssen als erwartet. Das wird für Einbußen bei anderen wichtigen Budgets sorgen, etwa in den Bereichen Gesundheitsversorgung (Global Goal 3), Bildung (Global Goal 4) oder Beschäftigung. Und das, nachdem die Haushalte und die Wirtschaft der Länder bereits aufgrund der Corona-Pandemie belastet wurden.
Kurz gesagt: Es ist zu erwarten, dass sich der weltweite Hunger verschärften wird und dass die afrikanische Wirtschaft keine Chance haben wird, sich von der wirtschaftlichen Last der Pandemie zu erholen. Diese Situation birgt das Potenzial, die afrikanische Bevölkerung noch tiefer in extreme Armut zu treiben.
Welche Maßnahmen können wir alle ergreifen, um zu helfen?
Global Citizen hat eine Erklärung veröffentlicht, um den Krieg in der Ukraine zu verurteilen und zu globaler Solidarität aufzurufen – damit die Welt an der Seite der Ukraine steht. Wenn der Krieg so schnell wie möglich beendet wird, verringert sich das Risiko für die globale Wirtschaft und insbesondere die schwachen Volkswirtschaften in Afrika.
Werde jetzt aktiv, indem du via Tweet zu weltweiter humanitärer Unterstützung aufrufst. Fordere die Welt, fordere globale Unternehmen und Regierungen dazu auf, sich dem Appell der Vereinten Nationen anzuschließen und sich an der Unterstützung ukrainischer Bürger*innen mit 1,7 Milliarden US-Dollar (etwa 1,5 Milliarden Euro) zu beteiligen.
Hier findest du weitere Möglichkeiten, wie du den Menschen in der Ukraine und den angrenzenden Regionen helfen kannst – von Spenden an humanitäre Organisationen und Aktionen mit Global Citizen über die Teilnahme an Friedensprotesten bis hin dazu, über den Verlauf des Konflikts informiert zu bleiben.