Die Zeit und Energie, die Frauen und Mädchen für unbezahlte Betreuungsaufgaben wie Kochen, Wasserholen oder Kinderbetreuung aufwenden, erhält endlich die Aufmerksamkeit, die sie verdienen.
Denn die Weltbank kündigte am 29. April den globalen Childcare Incentive Fund an, der in den kommenden fünf Jahren 180 Millionen US-Dollar (rund 170 Millionen Euro) an neuen Mitteln bereitstellen soll, um die Kinderbetreuung in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu unterstützen und die unbezahlte Betreuungslast von Frauen zu verringern.
Das Weiße Haus schloss sich den Bemühungen an, indem USAID 50 Millionen US-Dollar (47 Millionen Euro) für die Ausweitung qualitativ hochwertiger Kinderbetreuung und Früherziehung bereitstellte. Weitere Unterstützung erhält der Fonds von den Regierungen Australiens und Kanadas sowie von philanthropischen Partnern wie der Bill & Melinda Gates Foundation, der Conrad N. Hilton Foundation, der William and Flora Hewlett Foundation, der Ford Foundation, der LEGO Foundation und Echidna Giving.
Die COVID-19-Pandemie hat die Betreuungsagenda in den Mittelpunkt gerückt, indem sie noch einmal aufgezeigt hat, wie unverhältnismäßig hoch der Anteil unbezahlter Care-Arbeit von Frauen und Mädchen ist und wie sehr er sie von Schule und Beruf abhält.
Weltweit fehlt es Familien an angemessenen Kinderbetreuungsmöglichkeiten, was zu einer hohen Arbeitslosigkeit beiträgt und das Einkommen von Frauen einschränkt. Mädchen müssen oft einen ungerechten Anteil an unbezahlten häuslichen Pflichten übernehmen, anstatt ihre Ausbildung abzuschließen oder die Kindheit zu erleben, die sie verdienen.
Marginalisierte Frauen sind besonders gefährdet, in Armut abzurutschen, wenn sie gezwungen sind, unbezahlte Arbeit zu leisten und keinen Zugang zu Kinderbetreuung haben. Die nach Geschlecht aufgeschlüsselten Armutsquoten sind bei Frauen im Alter zwischen 25 und 34 Jahren am höchsten. In dieser Zeit sind die Haushalte in der Regel mit höheren Kinderbetreuungskosten konfrontiert und Frauen haben weniger Zeit für bezahlte Arbeit. Frauen und Mädchen, die zu Hause die Hauptverantwortung für die Kinderbetreuung tragen, haben weniger Zeit, eine Schule zu besuchen oder einen Arbeitsplatz zu finden.
Die unbezahlte Care-Arbeit ist in Industrienationen am geringsten. Dort wenden Frauen “nur” doppelt so viel Zeit für solche Aufgaben auf wie Männer. Am meisten Zeit verwenden die Frauen in Nordafrika und Westasien darauf – und zwar siebenmal so viel wie Männer. Die Klimakrise verschärft das nur, denn durch sie müssen Frauen auch noch mehr Zeit für die Wasser- und Brennstoffbeschaffung aufwenden.
Mehr Zeit für unbezahlte Betreuungsarbeit bedeutet auch, dass weniger Zeit für bezahlte Arbeit, politische Beteiligung, Selbstfürsorge, Erholung und Freizeit bleibt. Darüber hinaus kann unbezahlte Betreuungsarbeit das Selbstvertrauen und die persönliche Entwicklung von Mädchen beeinträchtigen.
Die Ausweitung des Zugangs zu qualitativ hochwertiger Kinderbetreuung hat das Potenzial, positive Auswirkungen auf mehrere Generationen zu haben, indem sie die Beschäftigung von Frauen, die frühkindliche Entwicklung, das Wohlergehen der Familie, die Unternehmensleistung und das allgemeine Wirtschaftswachstum verbessert.
Hier kommen sechs Gründe, die zeigen, warum der öffentliche und der private Sektor zusammenarbeiten müssen, um die Betreuungsagenda zu verbessern.
1. Zu Beginn der COVID-19-Pandemie leisteten Frauen mehr unbezahlte Arbeit und mussten mehr Arbeitsplatzverluste hinnehmen.
Vor der Pandemie verbrachten Frauen dreimal so viele Stunden mit unbezahlter Haus- und Pflegearbeit wie Männer. Während der Pandemie hat der Zeitaufwand für Betreuungsarbeit sowohl bei Frauen als auch bei Männern zugenommen – doch bei den Frauen um einiges mehr.
Während der Pandemie wandten Männer und Frauen doppelt so viel Zeit für unbezahlte Haus- und Pflegearbeit auf, doch Frauen verbrachten immer noch etwa zwei Stunden mehr pro Tag mit diesen Tätigkeiten als Männer. Die Fortschritte bei der Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter könnten durch derartige Zunahmen der Aufgaben von Frauen im Haushalt wieder zunichte gemacht werden.
Im ersten Jahr der COVID-19-Pandemie war die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen ihren Arbeitsplatz verlieren, fast doppelt so hoch wie bei Männern. Bis Ende 2021 hatten die Männer ihr Beschäftigungsniveau von vor der Pandemie weitgehend wieder erreicht, aber die Beschäftigung von Frauen nahm nicht wieder zu. Vor der Pandemie gaben weltweit 606 Millionen Frauen Kinderbetreuungsprobleme als Grund dafür an, keine Arbeit zu suchen, verglichen mit nur 41 Millionen Männern.
Im Vorfeld des Starts des Childcare Incentive Fund hat die Philanthropin Melinda French Gates einen Meinungsbeitrag verfasst, in dem sie auf die Notwendigkeit hinweist, Frauen in der informellen Arbeitswelt durch Investitionen in die Kinderbetreuung zu unterstützen.
Im Jahr 2020 waren die Arbeitsplatzverluste bei informell Beschäftigten zwei- bis dreimal so hoch. In Indien, wo 51 Millionen Frauen in Armut leben und 93 Prozent der Arbeitskräfte im informellen Sektor beschäftigt sind, ist der Zugang zu Kinderbetreuung ein großes Hindernis für den Lebensunterhalt der Mehrheit der Bevölkerung des Landes. Ohne Zugang zu Kinderbetreuung ist es für Frauen weltweit unwahrscheinlicher, wieder in das Berufsleben einzusteigen oder ein Unternehmen zu gründen.
2. Während der COVID-19-Pandemie stieg weltweit der Anteil der Frauen, die ihre Erwerbstätigkeit aufgrund von Betreuungsaufgaben aufgeben mussten.
Vor der Pandemie leisteten Mädchen zwischen zehn und 14 Jahren durchschnittlich 50 Prozent mehr unbezahlte Arbeit als Jungen. Frauen und Mädchen hatten insgesamt häufiger als Männer und Jungen mit den negativen sozioökonomischen Auswirkungen der Pandemie zu kämpfen – auch mit einer höheren Belastung durch unbezahlte Betreuungsarbeit.
Durch die Pandemie ist der Anteil der Frauen, die ihre Arbeit aufgeben, um jemanden zu pflegen, weltweit um zehn Prozent gestiegen. Dies geht aus einer neuen Studie hervor, die den ersten globalen Nachweis für geschlechtsspezifische Ungleichheiten bei einer Reihe von sozialen und wirtschaftlichen Indikatoren liefert. Die höchsten Einkommensverluste wurden in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara festgestellt.
3. Wenn Frauen Zugang zu Kinderbetreuung erhalten, könnte das die Weltwirtschaft verbessern.
Schätzungen zufolge werden jeden Tag 12,5 Milliarden Stunden für unbezahlte Betreuungsarbeit aufgewendet. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hat herausgefunden, dass die Betreuungsarbeit ein Zehntel der weltweiten Wirtschaftsleistung ausmachen würde, wenn sie mit anderer Arbeit gleichgesetzt würde.
Einige Regierungen sind auf unbezahlte Arbeit angewiesen, um öffentliche Dienstleistungen zu kompensieren, was die globale Kluft zwischen den Geschlechtern weiter vergrößert. Der Gesamtwert der unbezahlten Pflege- und Hausarbeit wird auf zehn bis 39 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) geschätzt. Sie trägt mehr zur Wirtschaft bei als Sektoren wie Produktion, Handel oder Verkehr.
Jeder US-Dollar, der in die frühkindliche Betreuung investiert wird, bringt sieben US-Dollar ein. Wenn Frauen, die bislang keinen Zugang zu Kinderbetreuung haben, diese in Anspruch nehmen können, könnte das weltweite BIP bei Kaufkraftparität um bis zu 4,4 Milliarden Euro steigen. Denn dann würde auch die Erwerbsbeteiligung der Frauen zunehmen.
4. Stabilere allgemeine Kinderbetreuungsprogramme könnten das geschlechtsspezifische Lohngefälle verringern.
Weltweit verdienen Frauen im Durchschnitt nur 68 Prozent dessen, was Männer für die gleiche Arbeit erhalten. In den Ländern mit der geringsten Geschlechterparität sind es durchschnittlich sogar nur 40 Prozent.
Ein Ausbau der Kinderbetreuungsprogramme würde das geschlechtsspezifische Lohngefälle weltweit um 8,6 Prozent oder etwa 527 Milliarden US-Dollar (rund 495 Milliarden Euro) verringern. Ein besserer Zugang zu universeller Kinderbetreuung würde das geschlechtsspezifische Lohngefälle in allen Regionen und Einkommensgruppen verkleinern.
Länder in Lateinamerika, im asiatisch-pazifischen Raum und in Afrika südlich der Sahara würden den größten Nutzen daraus ziehen. In Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen würde die durchschnittliche Verringerung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles in Afrika südlich der Sahara 18 Prozent betragen und zu einer Verringerung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles um 22 Prozent führen.
5. Die Beseitigung von Hindernissen bei der Kinderbetreuung könnte die Erwerbsquote von Frauen erhöhen und Betreuerinnen beim Wiedereinstieg in das Erwerbsleben helfen.
Die höchsten Anteile von Frauen, die wegen mangelnder Kinderbetreuung nicht erwerbstätig sind, gibt es im Nahen Osten, in Nordafrika, in Südasien sowie in Lateinamerika und in der Karibik. Länder mit niedrigem Einkommen und Länder mit mittlerem Einkommen könnten am stärksten von einem verbesserten Zugang zur Kinderbetreuung profitieren.
Wenn die Politik die Hindernisse bei der Kinderbetreuung beseitigen würde, könnten fast 15 Millionen Frauen in Kenia, Nigeria und Südafrika erwerbstätig werden. Für Familien in Südafrika und Nigeria ist die Bezahlung der Kinderbetreuung das Haupthindernis für die Inanspruchnahme der Dienstleistung.
6. Fast die Hälfte der Kinder weltweit hat keinen Zugang zu Kinderbetreuung.
Mehr als 40 Prozent der Kinder weltweit, die noch nicht das Schulalter erreicht haben, haben keinen regelmäßigen Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Betreuung. Das sind fast 350 Millionen Kinder. Dabei ist die für ihre künftige Entwicklung von entscheidender Bedeutung.
Die Kinderbetreuungskrise wirkt sich unverhältnismäßig stark auf Familien in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen aus, wo rund acht von zehn Kindern eine Betreuung benötigen würden, aber keinen Zugang dazu haben.
Für eine gleichberechtigte Zukunft muss die Politik jetzt neue Mittel in Höhe von 120 Millionen US-Dollar bereitstellen, um Kinderbetreuungsprojekte in der ganzen Welt zu finanzieren.
Die Regierungen des Vereinigten Königreichs, Italiens, Japans und Deutschlands müssen sich jetzt den USA, Kanada und Australien anschließen und ihren gerechten Beitrag zum Child Care Incentive Fund der Weltbank beitragen. Unterschreibe jetzt für eine bessere Zukunft für alle Frauen und Mädchen weltweit!
Transparenzhinweis: Die Gates Foundation und die Ford Foundation sind Finanzierungspartner von Global Citizen.