“Die Covid-19-Pandemie zeigt, dass die Beendigung des Hungers bis 2030 mit unseren derzeitigen Ernährungssystemen nicht zu verwirklichen ist”, heißt es im Welthunger-Index 2020. Das Problem: Unsere Ernährungssysteme sind weder stabil noch gerecht. Und es gibt noch weitere Krisen, die den Welthunger verstärken: die Erderwärmung, die Heuschreckenplage in Afrika, der wirtschaftliche Abschwung auf der ganzen Welt.
Ein paar Zahlen verdeutlichen den Ernst der Lage: Fast 690 Millionen Menschen litten Ende 2019 unter chronischem Hunger, 135 Millionen Menschen unter einer akuten Ernährungskrise. Bei 144 Millionen Kindern führte die Unterernährung zu Auszehrung – der Körper baut alle Energiereserven ab, bis hin zu einem Mangel an Fett, Eiweiß, Vitaminen und Mineralstoffen.
Die Corona-Pandemie könnte bei bis zu 80 Millionen weiteren Menschen zu Unterernährung führen. Durch die pandemie-bedingten Hürden bei der Lebensmittel- und Gesundheitsversorgung könnte es zu fast 130.000 weiteren Todesfällen bei Kindern kommen. “Es wird erwartet, dass jeder Prozentpunkt, den das globale BIP sinkt, für weitere 700.000 Kinder Wachstumsverzögerungen zur Folge haben wird”, schreiben die Autor*innen im Welthunger-Index.
Welthunger-Index 2020: Der traurige Trend wird noch verstärkt
Seit 2000 ging der Hunger in der Welt zunächst für einige Jahre zurück. Damals lag der Welthunger-Index-Wert bei 28,2 und damit im Bereich “ernst”. Heute liegt der mit 18,2 im Bereich “mäßig”. Doch leider hält dieser Trend nicht an: Seit 2015 steigt der Hunger wieder.
Das zweite der 17 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung, “Zero Hunger by 2030”, ist mittlerweile quasi in unerreichbare Ferne gerückt, so Expert*innen. 37 Länder können vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen bis zur Frist wahrscheinlich noch nicht einmal einen Hungerwert im Bereich “niedrig” erreichen. Da für einige Länder keine ausreichenden Daten vorliegen, könnte diese Zahl in Wahrheit noch höher sein. Und in diesen Angaben sind noch nicht die Folgen der Corona-Pandemie eingerechnet!
In Subsahara-Afrika und Südasien ist der Welthunger am größten
Besonders besorgniserregende Werte weisen Afrika südlich der Sahara und Südasien auf. Mit 27,8 und 26 ist der Welthunger dort “ernst”. Das Ausmaß von Unterernährung und Lebensmittelknappheit ist im Tschad, in Timor-Leste und Madagaskar sogar “sehr ernst”. Als "vorläufig sehr ernst” wurde die Lage in acht weiteren Ländern bewertet: Burundi, Zentralafrikanische Republik, Komoren, Demokratische Republik Kongo, Somalia, Südsudan, Syrien und Jemen.
Die Angabe “vorläufig” bedeutet, dass nicht genügend Daten für einen oder mehrere verwendete Indikatoren vorlagen. “In manchen Fällen fehlen sie wegen gewaltsamer Konflikte oder politischer Unruhen (...), die als starke Prädiktoren für Hunger und Unterernährung gelten. In Ländern, für die keine Daten vorliegen, leidet die Bevölkerung daher womöglich am meisten unter Hunger”, erklären die Autor*innen in dem Bericht. Dass 2020 für ganze 25 Länder, also eine ungewöhnlich hohe Zahl, nicht genügend Daten vorlagen, hängt auch mit der Corona-Pandemie zusammen. Wie gravierend das Ausmaß des weltweiten Hungers und die Folgen des Krisenjahres 2020 darauf in Wahrheit sind, wird sich also erst zeigen, wenn wieder mehr aktuelle und genaue Daten vorliegen.