Wenn ein Wal stirbt, trauern andere Wale. Für den ein oder anderen klingt das jetzt vielleicht nicht wie die aufsehenerregendste Erkenntnis. Aber es ist ein enormer Durchbruch, denn bisher sind Wissenschaftler vom Gegenteil ausgegangen, wenn es um Emotionen bei Tieren ging.
Im Allgemeinen wird nämlich davon ausgegangen, dass nur Menschen zu so vielschichtigen Dingen wie komplexe Gefühle fähig sind. Trauer zum Beispiel ist ein komplexes Gefühl - doch wenn Tiere sich in Situationen, die durch Trauer motiviert sein könnten, sich entsprechend anders verhielten, wurde das bisher immer nur als 'Instinkt' abgestempelt.
Langsam aber sicher zeigen jedoch immer mehr Forschungsergebnisse, dass Tiere zu ebenso komplexen Reaktionen fähig sind wie Menschen.
Wale zum Beispiel scheinen für eine sehr lange Zeit zu trauern, wenn ein Gruppen- oder Familienmitglied verstirbt. Sie umkreisen den verstorbenen Wal, tragen ihn streckenweise durchs Wasser oder halten sich einfach in dessen unmittelbarer Nähe auf und zeigen depressive Gemütszustände. Vor allem aber scheinen sie Dinge wie Hunger, Fortbewegung und soziale Interaktionen bewusst einzustellen, um für eine Weile einfach bei dem toten Wal zu sein.
Solch ein Verhalten ist ein nahezu unmissverständliches Zeichen für Empathie und könnte die Beziehung zwischen Mensch und Natur grundlegend verändern.
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Eine neue Studie hat inzwischen sieben Wal-Arten identifiziert, die die Fähigkeit zur Trauer besitzen.
Und der Bericht geht damit auch der wichtigen Frage nach den Rechten von Tieren nach. Denn selbst nach Jahrzehnten des versuchten Meeresschutzes sind 6 der 13 großen Wal-Arten derzeit vom Aussterben bedroht. Wenn Tiere, in dem Fall Wale, wirklich die Fähigkeit besitzen, die Umstände um sie herum mit komplexen Gefühlen zu erfassen, muss die Welt diesen Tieren dann anders entgegentreten?
Das würde heißen: der Klimawandel, kommerzieller Walfang, Überfischung und die Verschmutzung der Meere durch Öl, Abfall, Plastik und was wir sonst noch achtlos entsorgen, bedroht das Ökosystem unserer Weltmeere. Und damit auch die Existenz und Lebensgrundlage der Wale.
Die Anerkennung der Tatsache, dass Wale zu komplexen Gefühlen fähig sind, könnte dazu führen, dass wir berücksichtigen müssen, dass diese Lebewesen ein größeres Recht auf Schutz haben und wir bessere und umfassendere Gesetze einführen müssten, die diese Tiere schützen.
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Der Nachweis komplexer Reaktionen hört allerdings nicht unbedingt bei Walen und Delphinen auf. Auch in anderen Bereichen der Tierwelt haben Tiere ein ähnliches hohes Level an Emotionen bewiesen:
Elefanten zum Beispiel zelebrieren wiederkehrende Rituale als Zeichen der Trauer um ein verstorbenes Herdenmitglied. Gorillas kommunizieren mit feinen Unterschieden in ihren Gesichtszügen und Gesten und teilen dadurch auch Trauer mit.
Oft enden solche Verhaltensweisen als Geschichten über 'niedliche' Anomalien in tierischen Verhaltensweisen. In der Realität allerdings vermuten Wissenschaftler schon länger eine weitaus komplexere Gefühlswelt im Tierreich - die allerdings unsere gesamte Auffassung und unser Zusammenleben mit der Natur und der Tierwelt gehörig auf den Kopf stellen würde.
Denn indem wir anerkennen würden, dass Tiere den Menschen wesentlich ähnlicher sind als vormals angenommen, tritt unweigerlich die Frage in den Vordergrund, wie wir Tiere und deren Lebensraum behandeln, respektieren und letztendlich besser schützen können - und müssen. Denn es liegt in unseren Händen, dies zu tun.
Bei uns in Deutschland beispielsweise gelten Tiere vor dem Gesetz zwar nicht als 'Sache' (wie zum Beispiel ein Auto), werden allerdings ein wenig wie eine Sache behandelt: Tiere sind keine Sachen. Sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Auf sie sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist.
Jep, kompliziert.
Wenn wir Tieren mehr Rechte zusprechen würden, würden wir damit nicht nur akzeptieren, dass Tiere zu respektieren sind, sondern damit automatisch auch mehr Möglichkeiten schaffen, diese besser schützen zu können.
Die Chancen sind hoch, dass Wale und Delphine diese Überlegung mit Sicherheit begrüßen würden!