Milliarden Menschen fragen sich: Wann kommt endlich der dringend benötigte Wendepunkt für den Klimaschutz? Die Staats- und Regierungschef*innen der Welt haben sich in den letzten zwei Wochen in Glasgow im Rahmen der COP26, der 26. jährlichen UN-Klimakonferenz, getroffen. Ihr Ziel: Konkrete Verabredungen und Pläne zur Bewältigung der Klimakrise auszuarbeiten. Aktivist*innen, Organisationen und Zivilist*innen aus aller Welt haben schon im Vorfeld deutlich gemacht: Schnelles und entschiedenes Handeln ist notwendig, um den ökologischen Zusammenbruch unserer Welt zu vermeiden.
Gehen wir gleich mal auf das wichtigste Ziel ein: Die auf der COP26 gemachten Zusagen begrenzen die Erderwärmung Schätzungen zufolge auf 1,8 bis 2,4 Grad Celsius. Wir sind also noch weit vom notwendigen 1,5-Grad-Ziel entfernt und selbst um die bestehenden Zusagen zu erreichen, fehlen wirksame politische Maßnahmen und Rechtsvorschriften.
Gleichzeitig haben die wohlhabenden Länder ihr Versprechen weiterhin nicht eingelöst, 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr für die Klimafinanzierung von Ländern mit niedrigen Einkommen bereitzustellen. Diese sind am meisten von der Klimakrise betroffen und eigentlich sollte die Summe schon 2020 erreicht werden, nicht erst 2023, wie es aktuell heißt.
Gleichzeitig gab es bei der COP26 einige wichtige Punkte. Dazu gehören:
- Indien hat sich verpflichtet, bis 2070 ein Netto-Null-Emissionsniveau zu erreichen. Das Land hat zum ersten Mal ein Ziel festlegt und sich auch verpflichtet, bis 2030 50 Prozent seiner Energie von erneuerbaren Quellen zu gewinnen.
- Mehr als 100 Länder haben sich darauf geeinigt, die weltweiten Methanemissionen bis 2030 um ein Drittel zu senken.
- Es wurde erstmalig zur schrittweisen Abschaffung der Subventionen für fossile Brennstoffe aufgerufen.
- Die von Costa Rica und Dänemark angeführte Beyond Oil and Gas Alliance strebt den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen an.
- Mehr als 100 Länder haben sich darauf geeinigt, bis 2030 die weitere Entwaldung und Bodenverschlechterung zu stoppen.
Im Vorfeld der COP26 haben wir fünf Schritte aufgelistet, die für ein Erfolg der Konferenz notwendig gewesen wären.
Wir schauen, wie die Verantwortlichen in diesen Bereichen abgeschnitten haben. Es ist leider ziemlich enttäuschend.
1. Unsere Forderung: Jährlich 100 Milliarden US-Dollar für den Kampf gegen die Klimakrise in Ländern mit niedrigem Einkommen investieren
Unser Urteil: Versagt
Im Jahr 2009 haben sich die reichen Länder dazu verpflichtet, bis 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar (rund 86 Milliarden Euro) für Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen bereitzustellen. Zwar haben einige Länder – darunter auch die EU – ihre Mittel zur Erreichung dieses Ziels aufgestockt, doch werden die 100 Milliarden US-Dollar voraussichtlich erst 2023 erreicht, also drei Jahre zu spät. Zu dieser Verzögerung kommt noch hinzu, dass die Kosten der Klimaauswirkungen steigen, da Waldbrände, Überschwemmungen, extreme Stürme und Dürreperioden immer schlimmer werden.
Derzeit stellen nur Norwegen und Schweden im Verhältnis zur Größe ihrer Volkswirtschaften angemessene Mittel für die Klimafinanzierung bereit. Deutschland wird aufgefordert, seinen Beitrag von vier auf acht Milliarden Euro jährlich zu erhöhen. Nachdem Angela Merkel im Frühjahr 2021 lediglich eine Erhöhung auf sechs Milliarden angekündigt hat, liegt es jetzt an der nächsten Regierung, hier nachzulegen.
Wirkliche Klimagerechtigkeit bedeutet, dass alle reichen Länder, die vor allem für die Umweltkrise verantwortlich sind, ihren fairen Anteil leisten, versäumte Zahlungen nachholen und die Mittel als Reaktion auf die aktuellen Klimaauswirkungen insgesamt erhöhen müssen.
Wir müssen 100 Milliarden US-Dollar vor allem als Anzahlung betrachten, denn es wird noch viel mehr benötigt, um Länder mit niedrigem Einkommen bei der Unterstützung des Pariser Klimaabkommens zu unterstützen. Zudem braucht es separate und zusätzliche Mittel für bestehende Schäden. Außerdem ist es wichtig, dass die Hälfte der Klimafinanzierung in Anpassungsmaßnahmen fließt, die den Ländern helfen, den zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels besser standzuhalten.
2. Unsere Forderung: Striktere national festgelegte Klimaschutzbeiträge (NDCs) in Anlehnung an das 1,5-Prozent-Ziel
Unser Urteil: Versagt
Das Pariser Klimaabkommen basiert auf freiwilligen Verpflichtungen der Länder zur Verringerung ihrer Emissionen, den so genannten Nationally Determined Contributions (NDCs). Alle fünf Jahre wird von den Ländern erwartet, dass sie ihre NDCs nachbessern. Sowohl Indien als auch Nigeria kündigten konkrete Netto-Null-Ziele an, aber viele Länder versäumten es weitgehend, ihre NDCs mit dem Ziel in Einklang zu bringen, einen Temperaturanstieg von mehr als 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu verhindern. Erreichen alle Länder ihre bis 2030 festgelegten Ziele, wird die Welt laut dem Climate Action Tracker immer noch um 2,4 Grad wärmer. Wenn man nur die aktuellen Maßnahmen betrachtet, sogar 2,7 Grad.
Diese Prognosen sind der Grund, warum Umweltgruppen darauf drängen, anstatt alle fünf, besser alle drei Jahre oder sogar jedes Jahr an den NDCs zu arbeiten, um sicherzustellen, dass die Länder gezwungen werden, ihre Maßnahmen einzuhalten.
Es gab jedoch auch positive Aspekte: Viele Länder einigten sich darauf, die Methanemissionen bis 2030 um 30 Prozent zu senken, versprachen, die Finanzierung fossiler Brennstoffe im Ausland einzustellen und einigten sich auf den Ausstieg aus der Kohlekraft.
3. Unsere Forderung: Mehr Unternehmen sollten sich der “Race to Zero“-Kampagne anschließen
Unser Urteil: Gemischt
Der Privatsektor spielt eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung der Weltwirtschaft und ebnet den Weg für einen gerechten Übergang. Während Führungskräfte von Unternehmen aus der ganzen Welt zu den Gesprächen angereist waren, lassen sich die Ankündigungen, die sie auf der COP26 gemacht haben, grob in drei Kategorien einteilen: Trotzig, Greenwashing und die wirklich positiven.
Die Trotzigen: Hier stehen die Autohersteller, die es laut Reuters erneut versäumt haben, Maßnahmen zur schrittweisen Abschaffung von gasbetriebenen Fahrzeugen innerhalb von bestimmten Fristen zu unterstützen, die das Erreichen der Klimaziele ermöglichen würden.
Die Greenwashing-Gang: Unter ihnen sticht der Bankensektor laut The Conversation mit seinen vermeintlich neuen Standards für grüne Kredite hervor. In Wirklichkeit sind die jedoch nur eine Auffrischung alter Bemühungen, die einigen der schlimmsten Kreditgeber für fossile Brennstoffe in der Welt Deckung gegeben haben.
Die Mutmacher: Viele weitere Unternehmen haben die "Race to Zero"-Verpflichtung unterzeichnet, was darauf hindeutet, dass die Dekarbonisierung von Lieferketten und Geschäftsmodellen in vielen verschieden Branchen nun ernst genommen wird.
4. Unsere Forderung: Verpflichtung zum Schutz von Land und Meer
Unser Urteil: Gemischt
Wissenschaftler*innen forderten die Länder zum Schutz der Umwelt auf, bis 2030 mindestens 30 Prozent der Land- und Meeresflächen zu schützen. Das würde lebenswichtige Ökosysteme wie die Zirkulation von sauberem Wasser oder die Gesundheit des Bodens auch in Zukunft am Leben halten.
Nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) sind derzeit schätzungsweise 16,44 Prozent der weltweiten Landfläche und 7,74 Prozent der Ozeane geschützt. Um diese Ziele bis zum Ende des Jahrzehnts zu erreichen, müssen sowohl Regierungen als auch der Privatsektor beträchtliche Investitionen tätigen.
Auf der COP26 gab es einige wichtige Ankündigungen zum Thema Naturschutz. Mehr als 100 Länder verpflichteten sich, den Waldverlust und die Bodendegradation bis 2030 zu stoppen. Zehn Länder sagten zu, 30 Prozent der Ozeane zu schützen. 1,7 Milliarden US-Dollar (rund 1,5 Milliarden Euro) wurden für indigene Gemeinschaften bereitgestellt und etwa 100 große Unternehmen verpflichteten sich, "naturpositiv" zu werden, das heißt, ihre Geschäftsmodelle werden nun darauf ausgerichtet sein, die Gesundheit der natürlichen Welt zu fördern.
5. Unsere Forderung: Wichtigen Themen die Aufmerksamkeit schenken, die sie verdienen
Unser Urteil: Versagt
Aktivist*innen und Organisationen haben die COP26 für ihren Mangel an Transparenz und Inklusivität kritisiert. Viele wichtige Treffen wurden im Geheimen abgehalten, Aktivist*innen hatten Schwierigkeiten, an den Verhandlungstisch zu gelangen und die Veranstaltung ließ Stimmen aus dem Globalen Süden insgesamt außen vor, so der Guardian. Vor allem Greta Thunberg fand scharfe Worte für die COP26 und nannte sie "eine zweiwöchige Feier des Business as usual und blah blah blah".
Nicht nur die Aktivist*innen wurden ignoriert, sondern auch die Kolleg*innen aus Ländern, die am meisten mit den Auswirkungen der Klimakrise zu kämpfen haben und bereits jetzt mit den verheerenden Folgen des steigenden Meeresspiegels, Dürren, Hitzewellen, Waldbränden und vielem mehr leben.
Wie geht’s jetzt weiter?
Friederike Meister, Deutschlanddirektorin von Global Citizen, fasste das ernüchternde Ergebnis der COP26 deutlich zusammen: “Eine Erkenntnis wird von der 26. UN-Klimakonferenz bleiben: Die wohlhabendsten Länder, die für den Klimawandel verantwortlich sind und ihn nun weiter verschärfen, haben versagt. Die Unterstützung für die Staaten, die am härtesten von der Klimakrise betroffen sind, bleibt weitestgehend aus.”
Die Klimakrise und ihre tödlichen Auswirkungen werden nicht bis zur COP27 im nächsten Jahr warten – mit jeder Stunde und jedem Tag sammeln sich mehr Treibhausgase in der Atmosphäre durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe und die Zerstörung der natürlichen. Unsere Erde heizt auf und wird destabilisiert.
Großbritannien wird bis zur nächsten COP-Tagung im Jahr 2022, die von Ägypten ausgerichtet wird, den Vorsitz innehaben. Bis dahin muss das Land Druck auf Regierungen und Unternehmen auf der ganzen Welt ausüben, damit sie politische Maßnahmen ergreifen, die eine Halbierung der globalen Emissionen bis 2030 ermöglichen.
In all diesen Bereichen können Fortschritte erzielt werden – von der Finanzierung eines gerechten Übergangs weg von fossilen Brennstoffen bis hin zur Dekarbonisierung von Industriesektoren – und jede*r muss eine Rolle dabei spielen, dass ausreichende Klimaschutzmaßnahmen Realität werden.
Auch wenn die COP26 vorbei ist, werden Global Citizens den Staats- und Regierungschef*innen und dem Privatsektor deutlich machen, dass die Welt immer noch zuschaut. Schließ dich uns an und werde aktiv, um unsere Umwelt zu schützen.