Im Internet können wir uns alle super einfach vernetzen. Ein großer Vorteil für unser modernes, digitales Leben. Doch das hat auch Nachteile. Diskriminierungen, Hate Speech und Menschenrechtsverletzungen sind ungebetene Gäste. Und seit Langem wird gefordert, dass sie verschwinden.
Im Jahr 2020 befragte die Organisation Plan International Frauen aus aller Welt zu ihren Online-Erfahrungen. Wir schauen hier besonders auf die Ergebnisse aus afrikanischen Ländern, die zeigten, dass 54 Prozent der Mädchen bereits irgendeine Form von Belästigung im Internet erlebt hatten. Gleichzeitig nutzen immer mehr Frauen auf der ganzen Welt soziale Medien, um Bewegungen zu organisieren, damit sie über ihre Erfahrungen sprechen und Anschluss finden können.
In den vergangenen Jahren haben besonders afrikanische Feministinnen die sozialen Medien genutzt, um gegen geschlechtsspezifische Polizeigewalt in Nigeria zu protestieren, um für die Freilassung der ugandischen Aktivistin Stella Nyanzi einzutreten und um sich gegen die archaischen Geschlechtergesetze in Kenia zu engagieren. Leider haben sie sich damit zur Zielscheibe für verschiedene Formen geschlechtsspezifischer Online-Gewalt gemacht – von Cybermobbing bis hin zu Doxxing, also wenn Täter*innen die privaten Daten einer Person gegen ihren Willen veröffentlichen. In der Studie von Plan International berichteten 47 Prozent der Befragten, dass sie angegriffen wurden, weil sie ihre Meinung zu geschlechtsspezifischer Ungerechtigkeit und feministischen Themen geäußert hatten.
“Gewalt gegen Frauen ist in ganz Afrika und weltweit allgegenwärtig, sowohl im Offline- als auch im Online-Bereich. Da sich Frauen auf Online-Plattformen weiterhin gegen patriarchale Normen und Ungleichheiten engagieren werden, sind sie auch weiter den Anfeindungen durch Männer sowie Frauen ausgesetzt, die den Status quo aufrechterhalten wollen“, sagt Neema Iyer, Beraterin für Frauensicherheit bei Facebook und Gründerin von Pollicy, eines afrikanischen Forschungsinstituts. “Der digitale Raum ist wiederum äußerst hilfreich, um Unterstützungsnetzwerke zu bilden, wenn Frauen bedrängt und angegriffen werden." Pollicy, die Organisation von Iyer, führte 2020 eine Studie über geschlechtsspezifische Online-Gewalt auf dem afrikanischen Kontinent durch. Frauen in großen Städten wurden gebeten, ihre Erfahrungen im digitalen Raum zu dokumentieren.
“Unsere Studie, die in fünf afrikanischen Ländern durchgeführt wurde, ergab, dass eine von drei Frauen mindestens eine Form von Online-Gewalt erlebt hat. Noch besorgniserregender ist, dass entgegen aller Vermutungen die Internetnutzung durch Frauen nicht exponentiell ansteigt, sondern sie den digitalen Raum verlassen, ihre Konten löschen oder die entsprechenden Plattformen nach negativen Erfahrungen nicht mehr nutzen“, sagte Iyer. Mit Hilfe von Garnett Achieng, einem Forscher für Daten und digitale Rechte sowie Expert*innen für geschlechtsspezifische Online-Gewalt, haben wir zusammengefasst, was du über das Thema wissen musst.
Was ist geschlechtsbezogene Online-Gewalt?
Geschlechtsspezifische Online- oder technologiegestützte Gewalt ist eine Form von Ungerechtigkeit und Diskriminierung im Internet. Diese Art von geschlechtsspezifischer Gewalt kann unter anderem Stalking, Belästigung, Mobbing und unerwünschte Pornografie umfassen.
“Es gibt verschiedene Kategorien von geschlechtsspezifischer Gewalt im Internet", sagt Achieng. "Sie kann in Form von Beleidigungen, Trolling, Fehlinformationen und ähnlichem auftreten. Die neueste Form sind Deepfakes (von künstlicher Intelligenz generierte gefälschte Fotos). Wie alle anderen Formen werden sie dazu verwendet, Frauen zum Schweigen zu bringen und zu beschämen.“
Geschlechtsspezifische Online-Gewalt ist besonders gefährlich, weil es auf vielen Plattformen nicht genügend Regeln und Vorschriften gibt, um Frauen zu schützen. Das führt dazu, dass die Täter*innen oft ohne Konsequenzen davon kommen.
Häufige Formen von geschlechtsspezifischer Gewalt im Internet:
- Cybermobbing: Mobbing mit Hilfe digitaler Technologien.
- Doxxing: Enthüllungen oder Veröffentlichungen privater Informationen im Internet gegen den Willen der Person.
- Cyberstalking: die Nutzung des Internets, um eine andere Person zu stalken oder zu belästigen.
- Nicht einvernehmliche Pornografie: Verbreitung sexueller Aufnahmen ohne Zustimmung.
- Trolling: absichtliche Verärgerung anderer Personen durch hetzerische Kommentare und Nachrichten
3 wichtige Fakten über geschlechtsbezogene Online-Gewalt
- 51 Prozent der Mädchen, die das Internet nutzen, haben Berichten zufolge bereits geschlechtsspezifische Gewalt im Internet erlebt.
- Davon gaben 85 Prozent an, dass sie bereits mehrere Formen der Belästigung erlebt haben.
- 39 Prozent der Mädchen in afrikanischen Großstädten sind sehr besorgt über ihre Sicherheit im Internet.
Wer ist am meisten von geschlechtsbezogener Online-Gewalt betroffen und warum?
Sobald ein Mensch Informationen im Internet teilt, kann er online Belästigung, Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt sein. Frauen und Mädchen sowie Minderheiten sind oft besonders stark betroffen.
Frauen werden etwa bestraft, wenn sie ihre Stimme erheben. Die ugandische Aktivistin Stella Nyanzi hatte sich für Menschen eingesetzt, die durch die Pandemie in eine prekäre Lage geraten waren. Sie wurde wegen Beleidigung des ugandischen Präsidenten festgenommen – obwohl die Redefreiheit in der Verfassung des Landes verankert ist. Wenn sich afrikanische Frauen weiter in den sozialen Medien zu Wort melden, könnten die Folgen in einigen Ländern noch schlimmer ausfallen. “Technologie verschärft geschlechtsspezifische Gewalt, sie macht es den Tätern leichter“, sagt Achieng. “Viele Tech-Unternehmen rechtfertigen sich mit dem Argument, dass für ihre Plattformen das Gleiche gilt wie in der analogen Welt. Doch das stimmt nicht. Technologie macht es deutlich schlimmer.“ Ihrer Meinung zufolge kann eine Frau durch soziale Medien von Tausenden von Menschen belästigt werden, die sie nicht kennt und die normalerweise keinen Zugang zu ihr hätten. Für Frauen, die soziale Netzwerke nutzen, gehört das zum Alltag.
Aktivistinnen, die sich für Feminismus und LGBTQIA+-Themen einsetzen, werden online am häufigsten belästigt. Das kann sie davon abhalten, sich erneut zu den Themen zu äußern. Laut Achieng ist dies auf die in afrikanischen Gesellschaften verbreitete Homophobie zurückzuführen. “Feministinnen und Frauen, die sich zu Gleichberechtigungsthemen äußern, haben starke und oft radikale Ideen, wie die Gesellschaft strukturiert sein sollte. Sie werden angegriffen, weil Menschen nicht an diese Ideen glauben, weil die Ideen die Norm infrage stellen, dass Frauen passiv sind und über ihr Leid schweigen“, sagt sie.
Welche Auswirkungen hat dies auf das Leben der Menschen und den Kampf gegen die extreme Armut?
Geschlechtsspezifische Gewalt im Internet isoliert Frauen und verstärkt patriarchale Normen, die Frauen zum Schweigen bringen und ihre Freiheiten einschränken. Dadurch wird die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern in allen Bereichen verschärft. Ob virtuell oder in der analogen Welt – Frauen stehen immer weniger Anlaufstellen zur Verfügung, an die sie sich wenden können. “Deshalb ist es für die meisten Betroffenen am einfachsten, den digitalen Raum zu verlassen, was wiederum ihr Recht auf Meinungsäußerung und ihr Recht auf Zugang zu Informationen beeinträchtigt. Viele Frauen ziehen sich aus Angst vor Gewalt in nicht-öffentliche Gemeinschaften zurück oder verlassen die sozialen Medien ganz, anstatt sich in der Öffentlichkeit zu engagieren“, sagt Achieng.
Einem Bericht von Afrobarometer zufolge nutzen Frauen in Afrika das Internet nicht so häufig wie Männer. Mancherorts wird diese Kluft sogar stetig größer. Laut einer Studie der World Web Foundation ist die Lücke zwischen den Geschlechtern bei der Internetnutzung in Afrika am größten. In Uganda beispielsweise liegt sie bei 43 Prozent, in Ghana bei 5,8 Prozent – beide Ergebnisse liegen unter dem Durchschnitt des Kontinents, der fast 50 Prozent beträgt. Frauen sind online genauso in der Minderheit wie im wirklichen Leben – und in beiden Fällen wird ihnen nicht genug geholfen.
Wer sind die Entscheidungsträger*innen bei der Bewältigung dieses Problems?
Organisationen wie Pollicy, Plan International und Web Foundation suchen aktiv nach Lösungen für das Problem und fordern soziale Netzwerke dazu auf, Inhalte stärker zu moderieren. “Social Media-Plattformen wie Facebook, Twitter und so weiter sind wichtige Akteure, da sie in der Lage sind, die Inhalte im digitalen Raum zu moderieren. Facebook hat zum Beispiel vor Kurzem seine Richtlinien geändert, um besser auf Online-Gewalt gegen Personen des öffentlichen Lebens reagieren zu können“, sagt Achieng. Auch Regierungen sind in der Verantwortung. Sie müssen Gesetze schaffen, um Frauen vor Belästigung im Internet zu schützen.
Welche Maßnahmen können wir alle ergreifen?
Es ist wichtig, über die verschiedenen Formen von geschlechtsspezifischer Online-Gewalt informiert zu sein. Denn nur so können wir über gezielte Maßnahmen entscheiden. Du erfährst mehr über das Problem, indem du Social Media-Seiten folgst, die sich gegen Online-Gewalt einsetzen – beispielsweise die von Garnett Achieng,Seyi Akiwowo, Hera Hussain.
Die Rechte von Frauen sind elementare Menschenrechte – sie müssen gefördert und geschützt werden. Im Rahmen der internationalen Kampagne 16 Days of Activism machen wir gemeinsam mit vielen anderen Organisationen darauf aufmerksam, dass Gewalt an Frauen und Mädchen bekämpft werden muss. Vom 25. November, dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, bis zum 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, mobilisieren wir für die Unterstützung von Geschlechtergerechtigkeit, der Anerkennung körperlicher Autonomie sowie zum Schutz der Menschenrechte von Frauen – gerade in der Pandemie. Erfahre hier mehr zu den 16 Days of Activism und wie du aktiv werden kannst.
Frauenrechte sind Menschenrechte – und die gilt es zu fördern und zu schützen. Im Rahmen der 16 Tage des Aktivismus gegen geschlechtsspezifische Gewalt, die vom 25. November bis zum 10. Dezember stattfinden, motivieren wir Global Citizens dazu, auf #16Days aufmerksam zu machen und mehr über Frauenrechte, körperliche Selbstbestimmung und geschlechtsspezifische Gewalt (im Internet) zu erfahren. Erfahre mehr über die #16Days Kampagne und werde hier aktiv.