Du gehörst zu den rund 69 Millionen Menschen, die am 26. September den nächsten Bundestag wählen dürfen? Glückwunsch! Da wir nur alle vier Jahre die Gelegenheit dazu bekommen, gibt es hier eine kleine Auffrischung, worauf es bei der Wahl ankommt.
Erststimme vs. Zweitstimme: Die Basics!
Zwei Kreuze, zwei Stimmen – ganz easy, oder? Nicht ganz. Beginnen wir mit der Hierarchie der Kreuze: Anders als unser Selbstverständnis es uns suggeriert, ist nicht die Erst-, sondern die Zweitstimme wichtiger.
Mit der ersten Stimme wählen wir einen Direktkandidaten aus unserem Wahlkreis. Die Idee dahinter: So soll aus jedem Winkel Deutschlands ein*e Abgeordnete*r im Bundestag sitzen und die Interessen der jeweiligen Region vertreten. Soweit, so gut. Kleiner Haken: Aus allen 299 Wahlkreisen in Deutschland schafft es pro Wahlkreis tatsächlich auch nur ein*e einzige*r Direktkandidat*in in den Bundestag - egal wie knapp das Ergebnis ist. Und oft ist es ein Rennen zwischen den zwei großen Parteien SPD und CDU – heißt, viele Direktkandidat*innen gehören einer dieser beiden Parteien an. Kandidat*innen kleiner Parteien haben nur selten eine Chance.
Eine große Ausnahme ist das Urgestein der Grünen, Hans-Christian Ströbele. 2013 zog er zum vierten Mal in Folge (!) als Direktkandidat in den Bundestag ein. Doch die Ära ging 2017 nun zu Ende: Ströbele trat bei der Wahl 2017 nicht noch einmal an.
Wer sich noch nicht entschieden hat, findet hier die Kandidat*innen aus seinem jeweiligen Wahlkreis.
Kommen wir zum Herzstück der Wahl: Die Zweitstimme. Anhand aller abgegebenen Zweitstimmen entscheidet sich das Kräfteverhältnis der Parteien. Das sind auch die Stimmen, die uns bei den Hochrechnungen am Wahlsonntag im Fernsehen und Internet gezeigt werden. Mit der Zweitstimme haben wir keinen Einfluss auf konkrete Personalentscheidungen. Warum? Die Parteien erstellen vor der Wahl sogenannte Landeslisten. Auf der steht, wer von der Partei in den Bundestag soll. Der Reihe nach rücken die Politiker*innen dann in den Bundestag – die wichtigsten Köpfe stehen ganz oben auf der Liste, logisch.
So. Und je mehr Stimmen eine Partei bekommt, desto mehr Sitze kann sie in Anspruch nehmen. Einfaches Beispiel: Bekommt eine Partei 30 Prozent der Stimmen, stehen ihr auch 30 Prozent der Sitze zu.
Hier drei Fakten fürs Kreuzchen machen:
Briefwahl oder Wahllokal?
Solltest du am Wahltag verhindert sein oder aus einem anderen Grund lieber per Brief wählen wollen, kannst du ohne Angabe von Gründen die Briefwahl beantragen. Die Beantragung kann formlos sein, muss aber schriftlich oder persönlich erfolgen. Das geht ganz einfach über den Vordruck, den du mit den Wahlunterlagen erhältst.
Unterschreiben oder nicht Unterschreiben?
Ganz einfach: Nein. Verzichte auf eine Unterschrift auf dem Wahlzettel. Oder Kommentare. Oder Verzierungen. Oder Einhornsticker. Denn die Wahlordnung besagt, dass außer den Kreuzen nichts weiter auf dem Wahlzettel geschrieben stehen darf. Sonst ist der Zettel ungültig und deine Stimme futsch. Das gilt auch, wenn du mehr als zwei Kreuze machst: Wahlzettel ungültig, Stimme futsch, alles umsonst.
Geht auch nur ein Kreuz?
Du kannst dich für kein*e Direktkandidat*in so richtig begeistern? Kein Drama: Dann reicht es auch, sich für eine Partei zu entscheiden. Einfach nur ein Kreuz bei der Zweitstimme mache, der Wahlzettel ist trotzdem gültig. Andersrum funktioniert's auch.
Und jetzt fragst du dich, was passiert, wenn du deine Stimmen abgegeben hast? Weiter geht’s!
Überhang- und Ausgleichsmandate: Der Teufel steckt im Detail!
Weil alles ganz gerecht zugehen soll, wird die Sache nun kompliziert. In Deutschland wird der Bundestag nach dem personalisierten Verhältniswahlrecht gewählt. Personalisiert, weil wir mit der Erststimme eine*n Direktkandidat*in wählen. Verhältnis, weil die Zweitstimme über die Zusammensetzung des Bundestags entscheidet.
Ein paar Zahlen müssen nun leider her: 598 Sitze sind im Bundestag fest vorgesehen. Die Hälfte von ihnen, also 299, sind Direktkandidat*innen (siehe Erklärung oben), die andere Hälfte soll durch die Zweitstimme bestimmt werden.
Doch die Ergebnisse von Erst- und Zweitstimme können sich auch im Weg stehen: Denn wenn mehr Direktkandidat*innen einer Partei gewählt wurden, als dieser laut der Zweitstimme zustehen, gibt es ein Problem. Da es nicht besonders demokratisch wäre, den gewählten Kandidat*innen ihre Sitze wieder zu entziehen, hat man Überhangmandate erfunden.
Zwar bringen die “Volksparteien” CDU und SPD nach wie vor viele Direktkandidat*innen ins Ziel (also in den Bundestag), aber sie bekommen zunehmend weniger Zweitstimmen, wodurch immer mehr Überhangmandate entstehen.
Die wiederum bringen das Verhältnis zwischen den Parteien ins Ungleichgewicht. Deshalb wurden 2013 auch noch Ausgleichsmandate eingeführt: Es werden quasi so lange Abgeordneten in eine Waagschale gelegt, bis das Gleichgewicht zwischen den Parteien wieder hergestellt ist.
Mehr Gerechtigkeit führt also zu mehr Sitzen und dadurch zu einem größeren Bundestag. Bei der Bundestagswahl 2017 kam es in dreizehn Bundesländern (überall außer in Berlin, Niedersachsen und NRW) zu insgesamt 46 Überhangmandaten. Auf der anderen Seite wurden in allen Ländern außer Bremen durch das Sitzzuteilungsverfahren insgesamt 65 Ausgleichsmandate verteilt. Insgesamt sitzen 709 Abgeordnete im 19. Deutschen Bundestag, davon sind 31 Prozent weiblich. Nur aus Bremen stellten die Frauen den größeren Anteil (67 Prozent).
Einige Politiker*innen wollten dem wachsenden Bundestag einen Riegel vorschieben und das Wahlrecht ändern, etwa Bundestagspräsident Norbert Lammert. Vorerst bleibt aber alles beim Alten. Und im Vergleich zu anderen europäischen Ländern steht Deutschland gar nicht so schlecht dar: Das britische Unterhaus hat 650 Sitze, in Italiens Abgeordnetenkammer sitzen 630 Politiker. Und wohlgemerkt haben beide Länder weniger Einwohner*innen als Deutschland.
Die fünf Prozent gilt es zu knacken
Um in den Bundestag einziehen zu dürfen, muss man als Partei mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen ergattern. Deswegen müssen einige Parteine ab und an zittern. 2017 zogen die CDU, SPD, AFD, FDP, DIE LINKE, DIE GRÜNEN und die CSU in den Bundestag ein.
Und was gibt's Neues?
Am meisten Aufsehen erregen in diesen Tagen wohl DIE GRÜNEN. Bei der kommenden Bundestagswahl könnten sich die Partei laut Umfragen vom sechsten auf den zweiten Platz katapultieren – und kämpfen damit sogar erstmal ins der Geschichte der Partei um die Führung des Landes. Annalena Baerbock, die seit Januar 2018 gemeinsam mit Robert Habeck Bundesvorsitzende der Grünen ist, wurde vor Kurzem als erste grüne Kandidatin für das Kanzler*innenamt vorgeschlagen und bewirbt sich nun um das höchste politische Amt im Land.