Erst vor kurzem war ich in Aswan (Ägypten) um mich mit der Regierung vor Ort, NGO-Organisationen und weiteren Partnern zu treffen, die alle gemeinsam daran arbeiten, die immer noch verbreitete Praktik der weiblichen Genitalverstümmelung (FGM) im Land zu bekämpfen. Denn trotz des im Jahr 2008 in Kraft getretenen Verbotes wird die weibliche Genitalverstümmelung immer noch praktiziert.

Und ich muss sagen, es war ein ermutigendes Treffen! Das Engagement und die Hingabe mit der alle Beteiligten arbeiten ist nicht nur lobenswert, sondern ebenso anspornend: inzwischen lehnen sich mehrere Gemeinden geschlossen gegen diese traditionelle Praktik auf - die im übrigen keinerlei religiöse, medizinische oder moralische Grundlagen hat, wie selbst das islamische wissenschaftliche Institution Al Azhar und die koptische Kirche bestätigen.

In dem Dorf Nagaa El Haggar versammeln sich Gemeindeoberhäupter, Frauen, Männer, Kinder bis hin zu Nachbarn aus umliegenden Gemeinden, um sich eine Aufführung, vorgeführt von jungen Schauspielern, zu der Thematik anzuschauen. Solche Veranstaltungen sollen sowohl die Aufmerksamkeit auf das Thema FGM lenken, also auch Diskussionen darüber anregen. Und was sich daraus entwickelte war schier bemerkenswert: Frauen sprachen über die physischen und mentalen gesundheitlichen Schwierigkeiten, Männer sprachen offen darüber, welche Probleme dieses Thema in ihrer Ehe mit sich brachte und Mädchen betitelten es als 'der schrecklichste Tag in meinem Leben'. 

Image: UNDP in Egypt

Seit 2005 hat die Kommunalverwaltung in Aswan eine eindeutige Stellung im Kampf gegen FGM bezogen. Bis zum heutigen Tag haben sich bereits 10 Dörfer ebenfalls gegen diese grausame Praktik ausgesprochen und sich dazu verpflichtet, den Kampf zu unterstützen. Ein Mitglied aus der Gemeinde sagte: „Diese Beschneidungen sind erniedrigend, unmenschlich und ungerecht. Es verstößt gegen die Menschenrechte und muss solange bekämpft werden, bis es vollständig ausgerottet ist."

Und so bewundernswert diese Fortschritte auch sind, alteingesessene Traditionen, und seien sie noch so sinnfrei, zu ändern, ist ein beschwerlicher Weg und erfordert Zeit. Laut der 'Demographic and Health (DHS)' Studie aus dem Jahr 2014, sind 92% aller Frauen zwischen 15 und 49 Jahren, die jemals verheiratet waren, beschnitten. Was beweist, wie weit verbreitet diese Tradition tatsächlich ist.

Aber es gibt Hoffnung, wenn man sieht, wie die Einstellung der Menschen sich langsam ändert und erste Ergebnisse sichtbar werden. Die Zahl der beschnittenen Mädchen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren ist von 74% im Jahr 2008 auf 61% gesunken. Und von all' den Müttern, die selbst beschnitten sind, würden nur noch 35% einer Beschneidung ihrer Tochter zustimmen. Was immer noch erschreckend viel ist, aber ein Anfang.

Außerdem musste zu Beginn dieses Jahres erstmals in der Geschichte des Landes ein Doktor sich für den Tod eines 13-jähirgen Mädchens vor Gericht verantworten. Das Mädchen erlitt während der Narkose, in welcher sie beschnitten werden sollte, eine allergische Reaktion und verstarb. Dieser Fall zeigt, wie auch der Staat selbst nun langsam Position bezieht, auch wenn das Urteil in diesem Fall noch nicht gefallen ist.
Ebenso hat die ägyptische Regierung eine Kampagne zum Kampf gegen FGM gestartet und zur nationalen Priorität erklärt.

Was also sollten die nächsten Schritte sein? Die DHS Studie führt an, dass 82% aller Beschneidungen von medizinischem Fachpersonal durchgeführt werden, die somit bewusst gegen das Gesetz verstoßen. Es ist also dringend an der Zeit, dass die ägyptische Ärztekammer und das Gesundheitsministerium aktiv werden, um in die Köpfe der Mediziner vorzudringen und diese Praktik ein für alle mal zu beenden.
Das UNDP (United Nations Development Programme) in Ägypten unterstützt die lokale Regierungen im Kampf gegen FGM bereits seit 2003 - die bisher erreichten Meilensteine müssen allerdings auf das Land ausgeweitet und in einer neuen nationalen Strategie festgehalten werden.

Jedes Jahr am 14. Juni zelebrieren wir in Ägypten den Nationalen-FGM Tag, der in Erinnerung an die 12-jährige Bodour Shaker geschaffen wurde, die Opfer der FGM Prozedur wurde, und stellvertretend für all die Mädchen steht, die unter dieser Prozedur leiden und gelitten haben. Und ich möchte alle dazu einladen, sich an diesem Tag zu beteiligen, so dass wir uns im Kampf gegen FGM zusammen schließen und diese Praktik in Ägypten, und überall auf der Welt, endlich ein Ende setzen können. 


Geschrieben von Ignacio Artaza, UNDP Direktor für Ägypten; übersetzt aus dem Englischen von Global Citizen 

Editorial

Gerechtigkeit fordern

Der Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung zeigt endlich erste Erfolge